Vor genau 30 Jahren – am 9. November 1989 – wurden die Grenzübergänge zwischen der DDR und der BRD geöffnet. Der Mauerfall war der erste Schritt, der etwa ein Jahr später zur deutschen Einheit führte. Viele Menschen verbinden ihre ganz eigenen emotionalen Geschichten mit diesem Tag. Und zwar nicht nur im Osten. Als grenznahe Stadt war Braunschweig hautnah dabei, als tausende DDR-Bürger zum ersten Mal einen Fuß in den deutschen Westen setzten. Wie hat die Stadt den 9. November und die anschließenden Wochen erlebt? Ein paar Mauerfall-Geschichten aus und um Braunschweig.
Für viele DDR-Bürger war Braunschweig der erste Eindruck überhaupt von Westdeutschland. Als eine der größten Städte nahe der damaligen innerdeutschen Grenze wurde die Löwenstadt zum ersten Anlaufpunkt Vieler für einen interessierten Ausflug in die BRD. Über 30.000 Menschen kamen allein am ersten Wochenende nach Braunschweig. Vielen, die das live miterlebt haben, sind die Kolonnen von Trabbis und Wartburgs voller glücklicher Menschen bis heute in Erinnerung geblieben. Überall in der Stadt fanden freundliche Begegnungen statt. Zahlreiche Braunschweiger öffneten sogar ihre Wohnungen und boten den Gästen „von drüben“ eine Übernachtungsmöglichkeit an. Kaum irgendwo im Westen konnte man die Euphorie vieler DDR-Bürger nach der Grenzöffnung so unmittelbar spüren wie hier bei uns.
Dass die Grenzöffnung tatsächlich Bestand haben und kurz darauf sogar zur Wiedervereinigung führen würde, war zum Zeitpunkt des Mauerfalls alles andere als sicher. Nicht wenige Menschen, die der DDR überdrüssig waren, trauten dem Frieden nicht und stellten darum schon am ersten Abend Einbürgerungsanträge in die BRD. So viele sogar, dass diese an der Grenze knapp wurden. Bei einer Braunschweiger Druckerei wurde Nachschub von sage und schreibe 100.000 Anträgen geordert. In nur 24 Stunden sollten diese bitte fertig sein. Damit sie dann auch schnellstmöglich an der Grenze zur Verfügung stehen, wurde ein Hubschrauber nach Braunschweig geschickt, der die Hälfte schon einmal gen Osten flog. Es waren Tage, in denen eben alles ganz schnell ging.
Nicht nur von Ost nach West strömten die Menschen über die jüngst geöffnete Grenze. Auch jede Menge Braunschweiger unternahmen in den ersten Tagen und Wochen nach dem Mauerfall einen Ausflug in die DDR. Jahrzehntelang hatte man so nah an der stets präsenten innerdeutschen Grenze gelebt, doch die Wenigsten hatten schon einmal mit eigenen Augen gesehen, wie es dahinter tatsächlich aussah. Diese Möglichkeit wollten sich viele Braunschweiger nicht entgehen lassen. Aber nicht nur aus touristischem Interesse fuhren viele von ihnen in den Osten. Mit dem Mauerbau wurden unzählige Familien getrennt. Besuchsmöglichkeiten gab es seitdem nur sehr selten bis gar nicht. Viele Braunschweiger konnten nun zum ersten Mal seit langer Zeit ihre Angehörigen wieder einmal in den Arm schließen. Ein bewegender Moment der Wiedervereinigung im ganz Kleinen und Persönlichen.
In den Wochen nach dem Mauerfall entwickelte sich eine auf vielen Ebenen enge Partnerschaft zwischen Braunschweig und Magdeburg, die viele Menschen aus Ost und West zusammenführte. Nicht nur durch die Einrichtung einer regelmäßigen Buslinie zwischen diesen beiden Städten noch im Dezember, angesichts derer gegenseitige Besuche schnell Normalität im jeweiligen Stadtbild wurden. Sondern auch zum Beispiel in Form von Freundschaftsspielen von Eintracht Braunschweig gegen den 1. FC Magdeburg oder eines deutsch-deutschen Gemeinschaftskonzerts des Staatsorchesters Braunschweig mit dem Städtischen Orchester Magdeburg. An vielen Orten und in ganz unterschiedlichen Formen finden immer wieder Begegnungen statt. Erlebnisse, die die meisten Beteiligten in ihrem Leben nicht mehr vergessen werden.