Die Vorfahren der E-Scooter – wiederholt sich die Geschichte?

E-Scooter bevölkern mittlerweile auch die Braunschweiger Straßen. Aber neu ist die Idee von wendigen motorisierten Rollern für die Innenstadt eigentlich nicht. Sie ist sogar mehr als 100 Jahre alt.

Sie gehören mittlerweile fest zum Bild größerer Städte: Menschen, die auf kleinen motorisierten Rollern durch die Straßen flitzen. Ein Phänomen unserer Zeit, ermöglicht durch den rasanten technischen Fortschritt – könnte man meinen… Doch tatsächlich scheint sich die Geschichte hier erstaunlich präzise zu wiederholen. Denn genau das gab es schon einmal – vor fast genau 100 Jahren. Kein Scherz!

Das Autoped erobert die Innenstadt

Das Autoped erobert die Innenstadt

Im Jahr 1915 kam das sogenannte Autoped auf den amerikanischen Markt. Das war ein kleiner, faltbarer Tretroller mit Motor. Und dieser sah den heutigen E-Scootern erstaunlich ähnlich. Allerdings wurde er noch nicht elektrisch betrieben, sondern mit Benzin. Mit seinen etwa 1,5 PS konnte der Roller mehr als 50 Stundenkilometer erreichen. Vor allem bei jungen Frauen kam der Uropa der E-Scooter bestens an. Er stand für Mobilität und Unabhängigkeit und war für eine gewisse Zeit das angesagte Spielzeug wohlhabender Damen. Aber auch die New Yorker Post erkannte das Potenzial der schnellen, wendigen Gefährte und setzte diese zwischenzeitlich bei der Briefzustellung ein. Beobachten ließ sich zudem eine weitere Parallele zum Aufkommen der E-Scooter in unseren Innenstädten: Die Flitzer sorgten nämlich auch schon damals für ordentlich Aufregung und Diskussionen. Denn sie wurden von vielen als eine Gefahr im Verkehr gesehen.

Auch in Deutschland wurden Roller gebaut

Auch in Deutschland wurden Roller gebaut

Nachdem es in Metropolen wie New York und London längst zum Straßenbild gehörte, konnte man das Autoped ab 1919 auch durch deutsche Gassen sausen sehen. Gebaut wurde es hier in Lizenz von der Firma Krupp, sodass es hierzulande vor allem als Krupp-Roller bekannt wurde. Die Deutschen verpassten den kleinen Dingern dann gleich noch ein PS mehr Leistung und – als Sonderausstattung – auch einen Sitz. Die Verkaufszahlen hielten sich bei uns dennoch in Grenzen. Das merkten bald auch die Produzenten der nach und nach aufkommenden Kopien und Konkurrenzprodukte. 1922, nach nur drei Jahren also, nahm Krupp seinen Roller schließlich wieder aus dem Programm. In Deutschland war man offensichtlich noch nicht dafür bereit.

Das Ende der Autopeds

Auch in den USA war die Produktion der Autopeds bereits 1921 eingestellt worden. Hier jedoch nicht aufgrund mangelnder Nachfrage, sondern weil sich tatsächlich die Unfälle mit den Vorläufern der E-Scooter häuften. Schließlich gab es damals noch kaum befestigte Straßen, sondern vor allem staubige Pisten voller Schlaglöcher. Auch Ampeln waren noch nicht eingeführt. So wurden die Verkehrsregeln nach und nach verschärft. Und damit standen die Autoped-Fahrerinnen plötzlich vor nahezu demselben Problem wie die E-Scooter Fahrer bei uns heute. Wie ein amerikanischer Historiker gut zusammenfasste: „Auf der Fahrbahn war es für die Autopeds zu stressig, auf dem Bürgersteig zumeist verboten.“ Der Trend flaute ab.

Elektromotoren waren eine Selbstverständlichkeit

Elektromotoren waren eine Selbstverständlichkeit

Dass Autoped und Krupp-Roller noch keine echten E-Scooter waren, sondern mit Benzin betrieben wurden, lag übrigens nicht daran, dass die Ingenieure noch keine Elektromotoren entwickelt gehabt hätten. Das erste Elektrofahrzeug – ein Dreirad – wurde bereits 1881 vorgestellt. Und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein existierten ganz selbstverständlich Elektroautos neben denen mit Verbrennungsmotoren. Dass sich Letztere dann durchsetzen konnten, hatte vor allem mit den noch unzureichend ausgebauten elektrischen Netzen zu tun. Im Falle des Autopeds hatte es allerdings noch einen anderen rein praktischen Grund, dass man auf einen Benzinmotor zurückgriff: Die Akkus waren zu dieser Zeit einfach noch zu schwer für so ein kleines wendiges Gefährt.

Die Idee der kompakten Scooter als wendige Stadtflitzer ist also alles andere als neu. Sharing-Konzepte wie heute gab es damals allerdings wirklich noch nicht. Mal sehen, ob der Siegeszug der Roller diesmal mehr Bestand haben wird.