Kennen Sie das Phänomen, dass es in einem Gespräch meist drei verschiedene Meinungen dazu gibt, wie man am umweltfreundlichsten von A nach B kommt? Vor allem dann, wenn es um die Langstrecke geht, wo Fußweg und Fahrrad keine echte Option sind, schwärmt einer von der Bahn, der Nächste vom Elektroauto und ein Dritter vom Bus. Von uns bekommen Sie heute endlich die ultimativ wahre Antwort: Alle drei haben recht!
Egal, welches Verkehrsmittel Sie betrachten, Sie werden immer die ein oder andere Studie finden, die dieses nun als das ultimativ umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel ausweist. Denn wer in einem solchen Ranking die Nase vorn hat, hängt entscheidend davon ab, wie wir Umweltfreundlichkeit definieren. Wann etwa entsteht ein Schadstoffausstoß? Geht es um die absoluten Emissionen pro Fahrzeug oder um die relativen Emissionen pro Person? Welche Strecke betrachtet die Studie? Und so weiter… Wir machen das im Folgenden mal für Sie greifbar.
Große, voll klimatisierte Reisebusse mit mächtigen Dieselmotoren – das soll umweltfreundlich sein? Durchaus! Wenn wir die CO2-Bilanz auf der Langstrecke betrachten. Und zwar nicht pro Fahrzeug, sondern pro reisender Person. Denn Reisebusse sind im Durchschnitt gut ausgelastet und mit vielen Menschen gleichzeitig besetzt. Damit wird der Pro-Kopf-Ausstoß also plötzlich ganz klein und lässt sogar die Bahn hinter sich. Wenn jeder der Reisenden in einem eigenen Auto fahren würde, das im Schnitt nur mit 1,5 Personen besetzt ist, wäre die CO2-Blanz insgesamt natürlich erst recht deutlich höher. Also: Ein Hoch auf den Reisebus!
Ja stopp, werden Sie jetzt sagen. Aber was, wenn all die Menschen aus dem Reisebus sich auf Elektroautos aufteilen? Dann ist nichts mehr mit klimaschädlichen Abgasen, ganz egal, ob da nur 1,5 Personen drin sitzen! Dann ist doch wohl das Elektroauto das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, oder? Absolut richtig – bezogen auf den CO2-Ausstoß während der Fahrt ist das Elektroauto top. Es verbrennt im Gegensatz zu Reisebus und Co. keine fossilen Brennstoffe und rollt emissionsfrei durch die Landschaft. Also doch: Ein Hoch auf das Elektroauto!
„Nichts da“, hören Sie bei solchen Diskussionen nun schnell jemanden rufen. Denn wie wurde eigentlich der Strom erzeugt, mit dem die Passagiere da im Elektroauto durch das Land rollen? Handelt es sich dabei nicht um reinen Ökostrom, wurden für den „Treibstoff“ also doch reichlich Emissionen verursacht. Nur eben nicht während der Fahrt, sondern bei der Stromerzeugung. Viel besser macht das doch das Wasserstoff-Auto mit Brennstoffzelle. Das erzeugt die Energie direkt an Bord des Fahrzeugs – ganz ohne Emissionen. Na gut: Ein Hoch auf das Wasserstoff-Auto!
All das mag stimmen, wenn man sich auf die Emissionen konzentriert, die beim oder für das Fahren entstehen. Doch solche treten natürlich auch noch an ganz anderer Stelle auf. So werden für die Herstellung so vieler Autos und Batterien jede Menge Ressourcen und sehr viel Energie benötigt. Über seinen gesamten Lebenszyklus kann ein PKW damit ja gar nicht umweltfreundlich sein. Je mehr Menschen in einem Verkehrsmittel Platz finden, desto besser. Das spricht für die Bahn. Und überhaupt: Züge verkehren ja ohnehin nach Fahrplan, ganz egal, ob jemand drin sitzt oder nicht. Wenn Sie in die Bahn einsteigen, verursachen Sie also tatsächlich keinerlei zusätzlichen CO2-Ausstoß, der nicht auch zustande gekommen wäre, wenn Sie nicht gerade damit fahren würden. Aha: Ein Hoch auf die Bahn!
Je nach Betrachtungsweise ist also mal das eine und mal das andere Verkehrsmittel „umweltfreundlich“. Tja – und was heißt das jetzt für Sie im Alltag? Sie werden nicht das eine Fortbewegungsmittel finden, das in jeder Situation am meisten Sinn macht. Es bietet sich ganz einfach an, mit Vernunft an die Sache heran zu gehen und im individuellen Fall Nutzen und Ökobilanz abzuwägen. Wer mit der Großfamilie und Kleinkind in den Urlaub fährt, wird schon allein wegen des Gepäcks nicht mit dem Reisebus fahren können, sondern ein Auto brauchen. Dann gern elektrisch. Aber muss es wirklich ein eigenes sein, das den größten Teil des Jahres herumsteht, oder greifen Sie vielleicht auf Sharing oder Miete zurück? Für den Pendler bieten sich Fahrgemeinschaften, Busse oder die Bahn an, um die Emissionen pro Kopf niedrig zu halten. Auf einem kürzeren Weg tut es vielleicht auch ein E-Roller, ein E-Bike oder ein klassisches Fahrrad. Und am umweltfreundlichsten auf der Kurzstrecke sind immer noch die eigenen Füße.