Lessingstadt – diesen Beinamen trägt Wolfenbüttel seit einiger Zeit. Und das nicht ohne Grund, schließlich schuf der berühmte Dichter und Aufklärer in seinen 11 Jahren hier sein wohl berühmtestes Werk. Und auch seinen härtesten Schicksalsschlag musste Gotthold Ephraim Lessing in Wolfenbüttel erfahren. Ein paar Geschichten aus Lessings Leben an der Oker.
Es war – so ehrlich muss man sein – nicht unbedingt Lessings oberstes Karriereziel, Bibliothekar in Wolfenbüttel zu werden. Vielmehr nahm er diese Stelle aus akuter Geldnot nach dem Bankrott seines Theaters in Hamburg an. Doch für sein Schaffen war sie sehr bedeutend. Denn der Job ließ ihm viel Zeit zum Reisen, zum Herausgeben einer Zeitschrift und zur Arbeit an seinen literarischen Werken. Oder wie Lessing es selbst einmal ausdrückte: „Eigentliche Amtsgeschäfte habe ich […] keine anderen, als die ich mir selbst machen will. Ich darf mich rühmen, dass der Erbprinz mehr darauf gesehen, dass ich die Bibliothek, als dass die Bibliothek mich nutzen soll.“ So setzte er sich hier mit vielen Themen auseinander, die seine späteren Werke prägen sollten. Die Anstellung in Wolfenbüttel kam also mehr einem Kunst-Stipendium gleich.
Nach dem Bankrott seines Theaters hätte es Lessing in Sachen Unterkunft sicher deutlich schlechter treffen können, als alleiniger Bewohner eines ganzen Schlosses zu sein. Naja, jedenfalls fast: Er bewohnte fünf Räume des zu dieser Zeit leerstehenden Wolfenbütteler Schlosses und lebte hier gemeinsam mit seinem Diener. Der Herzog und sein Hof waren einige Jahre zuvor nach Braunschweig umgezogen, sodass die Räumlichkeiten Lessing für den Übergang zur Verfügung gestellt wurden. Hier stellte er auch sein bekanntes Schauspiel „Emilia Galotti“ fertig.
Als Lessing nach jahrelanger Fernbeziehung die Witwe Eva König heiratete, bezog er mit ihr und ihren Kindern das Meißnerhaus – allerdings nur für einige Monate. Währenddessen wurde ein einstiges Hofbeamtenhaus für das Paar renoviert: das heutige Lessinghaus, in das der Dichter mit seiner Patchwork-Familie 1777 einzog.
Beim Umzug in das frische Familienheim war Eva König schwanger. Hier im jetzigen Lessinghaus erlebte der Schriftsteller seine wohl schwerste Zeit. Der gemeinsame Sohn wurde an Weihnachten geboren und lebte nur wenige Stunden. Einige Tage später verstarb auch Lessings Frau. Ein Verlust, der ihn tief traf und wohl auch einen theologischen Streit befeuerte, der schließlich in Lessings bekanntestem Werk münden sollte – „Nathan der Weise“. Im Sterbezimmer seiner Frau hatte Lessing sein Arbeitszimmer eingerichtet und sein Meisterwerk verfasst, dessen Erstaufführung auch er selbst nicht mehr erlebte.
Eine kleine Zeitreise in das Wolfenbüttel zu Lessings Zeiten können Sie mit dem Angebot „Lessing lebt!“ in der Wolfenbüttel-App unternehmen. 360°-Videos und viele weitere multimediale Erlebnisse nehmen Sie mit in längst vergangene Zeiten. Eine tolle Art, spannende Geschichte auf ganz besondere Weise nachzuerleben.